Antwort der SPD-Fraktion auf den Offenen Brief von Dr. Trespenberg zum Ruhrstadt Orchester

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Foto: © Thomas Schmithausen

Sehr geehrtes Ruhrstadt Orchester,
sehr geehrter Herr Dr. Trespenberg,
sehr geehrte UnterzeichnerInnen des Offenen Briefs,

mit Bedauern entnehmen wir dem Offenen Brief, dass die Corona-Pandemie und ihre Folgen, mit den fehlenden Möglichkeiten Kulturveranstaltungen durchzuführen, offenbar und logischerweise auch beim Ruhrstadt Orchester ihre Spuren hinterlässt. Kaum eine Branche wird durch die Pandemie so fundamental und weitreichend erschüttert wie die Kulturbranche. Seit nunmehr über einem Jahr muss das Ruhrstadt Orchester auf Auftritte und müssen die SchwerterInnen auf die bereichernden Konzerte des Ruhrstadt Orchesters verzichten. Das ist überaus bitter!
Trotzdem überrascht uns der vehemente Auftritt des Ruhrstadt Orchesters in Form des Offenen Briefes verbunden mit der Forderung nach größerer finanzieller Unterstützung, denn im Gegensatz zu etlichen anderen Kunst- und Kulturschaffenden in Schwerte ist nach unserer Kenntnis niemand existentiell vom Ruhrstadt Orchester abhängig. 

Seit Gründung des Ruhrstadt Orchesters Anfang der 1990er Jahre und der Ernennung von Claus Eickhoff zum „Städtischen Kapellmeister h.c.“ im Jahr 2007 hat sich die Kulturlandschaft in Schwerte stark verändert. Akteure wie den „Kunstverein“ z.B. gibt es (leider) nicht mehr, dafür haben sich beispielsweise zwei Theater fest etabliert und bieten ein vielgestaltiges und ein breites Publikum ansprechendes Programm: das Theater am Fluss und Studio 7. Die Galerie Javana hat vor der Pandemie ein nahezu wöchentlich stattfindendes, kostenloses Konzertangebot in den Sparten Pop, Jazz und Klassik durchgeführt. Die Kulturinitiative Schwerte KIS hat sich um Präsentationsmöglichkeiten für bildende Schwerter KünstlerInnen gekümmert. Dem Schwerter Lichtkünstler Jörg Rost ist es sogar mitten im Corona-Jahr 2020 gelungen, mit der „Runde um den Block“ ein spektakuläres, pandemie-konformes Kulturevent durchzuführen, bei dem u.a. zahlreiche Schwerter Chöre beteiligt waren. 

Dieser veränderten Kulturlandschaft muss selbstverständlich auch bei der Verteilung der zur Verfügung stehenden Fördermittel Rechnung getragen werden. Die SPD-Fraktion freut sich darüber, dass ihr Vorstoß erfolgreich war und vor kurzem die Fördermittel, die die Sparkassenstiftung zur Verfügung stellt und die das Kulturbüro vergibt, von 30 000 Euro auf 40 000 Euro erhöht worden sind. Was den UnterzeichnerInnen des Offenen Briefes möglicherweise nicht bekannt war: die Erhöhung erfolgte vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Anträge und der Akteure deutlich gestiegen ist. Gerade um den etablierten Akteuren wie dem Ruhrstadt Orchester keine weiteren Kürzungen zuzumuten, wurde der Vorstoß unternommen, den Fördertopf um 10 000 Euro zu erhöhen. 

Die SPD-Fraktion bedauert zutiefst, dass angesichts der finanziellen Situation des KuWeBe und der Stadt Schwerte die Mittel zur Förderung der freien Kulturszene weiterhin derart überschaubar sind. Aber sie ist fest davon überzeugt, dass bei der Verteilung der Mittel darauf geachtet werden muss, dass alle Sparten Unterstützung erfahren. In der Vergangenheit hat die klassische Musik – mit Ruhrstadt Orchester und Konzertgesellschaft – eine Förderung erhalten, die fast 50% des Gesamttopfes ausmachte. Angesichts der veränderten Schwerter Kulturlandschaft halten wir dies nicht mehr für vertretbar. 

Im Übrigen ist die Stadt Schwerte angesichts ihrer Größe und ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage, wie z.B. die Stadt Hagen oder die Stadt Dortmund, ein „eigenes“ Sinfonieorchester zu halten, genauso wenig wie z.B. ein „eigenes“ Theater. Basis der eindrucksvollen Schwerter Kulturlandschaft ist das großartige Engagement vieler, vieler SchwerterInnen, die sich häufig in Vereinen organisieren und ehrenamtlich das gesellschaftliche Leben in der Stadt mit Kunst und Kultur bereichern. An dieser Struktur kann sich nach Meinung der SPD-Fraktion nichts ändern; und zu dieser Struktur gehört, dass nur ein kleiner Teil der jeweils benötigten finanziellen Mittel durch Schwerter Fördermittel gedeckt werden kann. 
Für das Ruhrstadt Orchester besteht Planungssicherheit, weil es seit Jahrzehnten zu den Institutionen gehört, die eine Regelförderung erhalten. Faktisch gehört es zu den Institutionen, denen die höchsten Summen zukommen, die überhaupt vergeben werden. Sie formulieren in ihrem Brief provokant, es sei einer „Orchesterleitung nicht zuzumuten, jedes Jahr auf Neue selbst auf Betteltour zu gehen, um den Orchesterbetrieb aufrecht zu erhalten“. Dieser Auffassung widerspricht unserer Meinung nach die Realität in der gesamten freien Kunst- und Kulturszene: das Akquirieren von Fördermitteln und Spenden, das Netzwerken, die Pflege von Sponsoren, die Entwicklung neuer Formate und Konzepte, um neue UnterstützerInnen zu finden, ist ein Muss und eine Selbstverständlichkeit in der freien Kulturszene. Dies unterscheidet die freie Szene von festen städtischen Institutionen.

Wir appellieren an die Solidarität unter den Kulturschaffenden und rufen dazu auf, angesichts der immensen Problematik durch die Corona-Pandemie einen Wettlauf um öffentliche Aufmerksamkeit und Fördermittel zu vermeiden. Unsere Hoffnung ist, dass auch nach der Pandemie die großartige Schwerter Kulturlandschaft wieder aufblühen wird. Dies bedarf einer gemeinsamen Anstrengung aller Beteiligten. Hierbei wird die SPD-Fraktion mit ihren kulturpolitischen Akteuren versuchen, alle Unterstützungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Insofern würden wir uns über einen Austausch freuen, wie das Ruhrstadt-Orchester unterstützt werden kann auch jenseits des Rufs nach einer Ausstattung mit regelmäßig auszuschüttenden finanziellen Mitteln in Höhe von 10 000 Euro.

Mit freundlichen Grüßen
SPD-Fraktion Schwerte

PM: SPD-Fraktion im Rat der Stadt Schwerte

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