Stellungnahme des Bündnisses für Familie Schwerte zur besseren Vereinbarkeit von Familie und politischem Ehrenamt – Februar 2024

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Symbolbild

Aus Anlass des Rücktritts zweier junger Kommunalpolitikerinnen, appelliert das Bündnis für Familie an Politik und Verwaltung: „Das Thema Vereinbarkeit von Familie und politischem Ehrenamt muss auf die Tagesordnung der Fraktionen und der Verwaltung gesetzt werden“.

Ein kommunalpolitisches Amt auszuüben lässt sich aktuell schwer mit familiären Verpflichtungen vereinbaren und bietet wenig Raum für Flexibilität. Das bringt viele dazu, den Einstieg in die Kommunalpolitik auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben oder sich ganz dagegen zu entscheiden. Dies trifft besonders auf Frauen zu, die nach wie vor einen großen Teil der familiären Sorgearbeit übernehmen. Doch auch für junge Männer und Väter gewinnt dieser Aspekt deutlich an Relevanz. Für die Unterrepräsentanz von Menschen mit betreuungsbedürftigen Kindern gibt es viele Gründe individueller, aber vor allem struktureller Art. Der hohe Zeitaufwand für das kommunalpolitische Ehrenamt stellt die größte Hürde für den Einstieg in die Kommunalpolitik dar. 

Obwohl es sich um einen kommunalpolitischen „Teilzeitjob“ handelt, wird nur von einem Ehrenamt ausgegangen. Der Zeitaufwand wächst nicht zuletzt, weil die Aufgaben und Arbeitsfelder komplexer werden und mehr Zeit für die inhaltliche Vorbereitung nötig ist.

Neben der kommunalpolitischen Arbeit ist zusätzlich die parteipolitische Arbeit zeitraubend und für junge Eltern, Alleinerziehende, pflegende Angehörige, aber auch Berufstätige mit langen Arbeitszeiten daher wenig attraktiv. Nicht ohne Grund wird es für die Parteien und Wählervereinigungen zunehmend schwierig, Nachwuchs für kommunalpolitische Funktionen zu finden. (Vergleich Studie: Mit Kind in die Politik, Mai 2023) 

Das Bündnis für Familie stellt fest: Wir brauchen junge Frauen und junge Familien

Junge Frauen und junge Familien kennen die Themen ihrer Alltagswelt und können wichtige Impulse für die Stadtgesellschaft setzen. Ihr Blick ist oftmals durch die Betreuung und Fürsorge für ihre Kinder auf eine zukunftsfähige und nachhaltige Stadtentwicklung gerichtet. Wir können und dürfen auf diese Perspektive nicht verzichten.

Es sind keine individuellen Probleme, die Frauen veranlassen politische Ehrenämter aufzugeben, sondern sie liegen in der Struktur der politischen Arbeit. Es ist ein bundesweites und parteiübergreifendes Problem. Die aktuelle Studie aus Mai letzten Jahres befasst sich mit der Problematik und beschreibt Beispiele aus anderen Städten, denen die Vereinbarkeit und damit die Mitarbeit junger Frauen aber auch aktiver junger Väter in der Familienphase wichtig ist.

Kommunale Vertretungen und Rathäuser sind immer noch eine Männerdomäne: Der Frauenanteil in den kommunalen Vertretungen liegt bei 27,7 Prozent. Mehr als 90 Prozent der Rathäuser werden von einem Mann geführt. 
Mandatsträger*innen in der Familienphase sind in der Kommunalpolitik besonders unterrepräsentiert

Link zur Studie:

https://www.eaf-berlin.de/was-wir-tun/studien-publikationen/publikation/mit-kind-in-die-politik-gute-praktiken-fuer-die-vereinbarkeit-von-familie-beruf-und-kommunalpolitischem-ehrenamt

Vorschläge und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit 

Sitzungszeiten

● Ein früherer Beginn von Ausschusssitzungen und Rat wird festgelegt, damit Eltern während der Kinderbetreuungszeiten teilnehmen und die Abendzeiten in der Familie gestalten zu können. 

● Anfangs- und Endzeiten von Sitzungen sind festzulegen. Sollten Inhalte nicht abschließend entschieden worden sein, sind zusätzliche Sitzungsläufe  einzuplanen.

● Einladungen sind grundsätzlich unter Angabe eines Endzeitpunktes  zu verfassen. Bei Terminierungen wird auf die Belange von Eltern Rücksicht genommen.

● Sitzungszeiten orientieren sich an Betreuungszeiten von Kitas und OGS.  Eine Kinderbetreuung im Rathaus wird angeboten oder es werden Betreuungskosten übernommen.  So werden in Sehnde (Niedersachsen) Babysitter*innen an die Eltern vermittelt.

Einführung digitaler Teilnahme

Es werden digitale und Hybride Sitzungen eingeführt, um Eltern eine Teilnahme zu ermöglichen.

➔ Die Stadt Leipzig führte ihre erste digitale Ratsversammlung im Februar 2021 durch. Seitdem gibt es Hybride Sitzungen, die öffentlich aufrufbar sind. Es gilt hier die Regel: Zugeschaltete Gemeinderatsmitglieder gelten in diesem Fall als anwesend. Die Voraussetzung ist, dass der Öffentlichkeitsgrundsatz gesichert wird und die Sitzung auch in Präsenz stattfindet. Dafür reicht es, wenn der/die Bürgermeister*in vor Ort anwesend ist und alle Ratsmitglieder sich digital zuschalten.“

➔ Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung in Hohen Neuendorf finden ebenfalls seit anderthalb Jahren im hybriden Format statt. Der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Dr. Raimund Weiland, zieht eine positive Bilanz. „Es klappt sehr, sehr gut“, erzählt er, auch wenn das hybride Tagen zunächst etwas ungewöhnlich gewesen sei. Vorausgehend gab es eine Anpassung der Geschäftsordnung, um die Liveübertragung auch rechtlich zu ermöglichen.

Strukturelle Rahmenbedingungen 

● Die Verwaltung  wird geschult, um Vorlagen und Vorträge in klarer und einfacher Sprache zu erstellen und halten zu können.

● Vorlagen der Verwaltung sind in klarer und einfacher Sprache zu verfassen und kompakt und bündig zu erstellen, um den Zeitaufwand der Politiker*innen zu reduzieren und eine Teilhabe Aller zu ermöglichen.

● Redezeiten sind zu reduzieren, um Inhalte auf den Punkt bringen zu müssen und „Vielredende“ zu bremsen.

Kulturveränderung und Haltung 

● Parteien/ Fraktionen und Verwaltung nehmen in ihren Regularien die Vereinbarkeit von Familie und ehrenamtlicher politischer Arbeit auf.

● Es gibt eine gemeinsame Verantwortung und ein gemeinsames Verständnis um Alle teilhaben zu lassen.

● Die Debattenkultur ist zu verbessern, es sollten weniger Angriffe und mehr konstruktive Beiträge  in der Sache erfolgen. 

● Die Einführung eines Budgets für interfraktionelle Fortbildungen, Weiterbildungsmöglichkeiten und Coachingformate ermöglicht eine bessere Einführung in die Abläufe der Kommunalpolitik, um von Anfang an effizienter arbeiten zu können.

● Ein Budget für interfraktionelle Fortbildungen, Weiterbildungsmöglichkeiten und Coachingformate wird aufgenommen, um eine bessere Einführung in die Abläufe der Kommunalpolitik zu ermöglichen und um von Anfang an effizienter arbeiten zu können.

● Elternnetzwerke in Parteien, im Rat oder in der Zivilgesellschaft sollten ermöglicht und unterstützt werden. Sie spielen eine wesentliche Rolle beim Erfahrungs- und Wissensaustausch, stärken ihre Mitglieder und unterstützen die Einflussnahme in und auf die Politik. 

Fazit:

Veränderungen entstehen nur dort, wo Menschen die Notwendigkeit zur Veränderung erkennen und auch wirklich etwas verändern wollen. Bezogen auf die Vereinbarkeit zwischen Mandat, Familie und Beruf heißt das, dass wir mehr Menschen mit Kindern in den Parlamenten und kommunalen Vertretungen brauchen. Noch sind sie dort unterrepräsentiert und brauchen Verbündete, um Strukturen zu verändern.

Es ist von entscheidender Bedeutung, sowohl nach Geschlechterparität als auch nach größerer Vielfalt unter den lokalen politischen Entscheidungsträger*innen hinsichtlich ihrer Herkunft, ihrer Einkommensverhältnisse, ihrer körperlichen und seelischen Verfassung (Behinderung), ihres Alters, ihres Familienstandes und ihrer geschlechtlichen und sexuellen Identität zu streben. Denn davon hängt ganz wesentlich die Zukunftsfähigkeit der deutschen Kommunen ab. 2024 wird das Grundgesetz und der Artikel 3 Absatz 2 das 75-jährige Jubiläum begehen ein gutes Jahr um Veränderungen einzuläuten und strukturelle Diskriminierung aufzuheben. (Vergleich Studie: Mit Kind in die Politik, Mai 2023)

PM: Familienzentrum Regenbogen

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