Mehrwertsteuersenkung – Womit Verbraucher rechnen können

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Angelika Weischer & Hannah Pick von der Verbraucherzentrale Schwerte (Foto: © Th. Schmithausen)

Deutschland sucht – den Taschenrechner! Denn wenn der Bundestag zustimmt und die Mehrwertsteuer ab 1. Juli 2020 wie geplant sinkt, halten nicht nur Preisfüchse Ausschau, ob und wie der Nachlass an den Kunden weitergegeben wird. 

„Der Steuerrabatt aus dem Konjunkturpaket winkt zwischen dem 1. Juli und dem 31. Dezember 2020, wenn eine Ware in dieser Zeitspanne geliefert oder eine Leistung vollständig erbracht wird“, erklärt Angelika Weischer von der Beratungsstelle Schwerte der Verbraucherzentrale NRW. Während der allgemeine Mehrwertsteuersatz für Fernseher, Handwerkerreparaturen oder beim Autokauf von 19 Prozent auf 16 Prozent sinkt, werden bei den Dingen des täglichen Lebens wie Butter, Bier und Brot nur 5 statt bisher 7 Prozent fällig. 

Allerdings: Der Nachlass ist kein Muss.

„Es steht Händlern und Unternehmen frei, schon vor dem 1. Juli Nachlässe zu gewähren oder im Rahmen von Rabattaktionen ‚gar die ganze Mehrwertsteuer zu schenken‘. Auch könnten sie Rabatte über den Jahreswechsel hinaus einräumen. Andererseits können Kunden nicht darauf pochen, dass Händler bei jedem Endpreis nachvollziehbar den aktuellen Mehrwertsteuersatz in Abzug bringen“, bringt die Verbraucherzentrale NRW die Rechnung mit vielen Unbekannten auf den Punkt.

Als Spickzettel für Einkauf, Verträge und Rechnungen gibt sie die folgenden Tipps mit auf den Weg:

Nachlass kein Muss:

Im Rahmen der üblichen Preisgestaltung steht es Unternehmen, Dienstleistern und Geschäftstreibenden frei, ihre Preise beizubehalten und dadurch ihre Gewinnspanne zu erhöhen. Die Preisangabenverordnung sieht vor, dass Kunden der Endpreis von Fernseher, Friseurbesuch oder Fischbrötchen inklusive aller Steuern und Nebenkosten angegeben werden muss. Nur bei Verträgen, in denen die Mehrwertsteuer separat ausgewiesen ist, können Verbraucher überhaupt kontrollieren, ob die Senkung weitergegeben wird. 

Auf keinen Fall darf der Kunde Rechnungen selbstständig mit Hinweis auf den reduzierten Mehrwertsteuersatz pauschal um 3 Prozent kürzen! Denn der Mehrwertsteuersatz für Auto oder Küche fällt zwar von 19 auf 16 Prozent – mathematisch entspricht das aber nicht einem Rabatt von 3 Prozent, sondern nur von rund 2,5 Prozent. 

Bei Dingen des täglichen Lebens mit ermäßigtem Mehrwertsteuersatz entspricht die Mehrwertsteuersenkung von 7 auf 5 Prozent rechnerisch einem Minus von nicht ganz 1,9 Prozent. 

Außerdem: Wer Forderungen einseitig kürzt, gerät unter Umständen automatisch in Verzug.

Pauschale Rabatte möglich: 

Händler und Anbieter von Dienstleistungen müssen die Preisauszeichnung in sämtlichen Regalen oder auf Aushängen nicht in der Nacht zum 1. Juli 2020 auf einen Schlag ändern, wenn sie die Mehrwertsteuersenkung an ihre Kunden weitergeben wollen. Sie können während der befristeten sechsmonatigen Mehrwertsteuersenkung auch Rabatte an der Kasse gewähren. Also wie bei Rabattaktionen 2,5 beziehungsweise1,9 Prozent auf alles „auspreisen“. 

Dabei kann der Händler auch frei entscheiden, ob das fürs gesamte Sortiment oder nur für bestimmte Produkte oder Warengruppen gelten soll. 

Lieferzeitpunkt sticht: 

Ob bei der Handwerkerrechnung, bei Bestellungen im Internet oder beim Autokauf – das Datum der Lieferung oder der erbrachten Leistung ist in der Regel entscheidend, welcher Mehrwertsteuersatz gilt. Wird die Lieferung verschickt, gilt das Versanddatum. Hat der Kunde zum Beispiel bereits im Februar ein Angebot zur Badrenovierung eingeholt, die dann zwischen dem 1. Juli und 31. Dezember 2020 ausgeführt wird, darf in der Rechnung nur die 16-prozentige Mehrwertsteuer zugrunde gelegt werden. 

Dass im Kostenvoranschlag noch 19 Prozent angesetzt wurden ist ebenso unerheblich wie der Zeitpunkt der Rechnung. Denn auch wenn der Handwerker diese erst im Jahr 2021 schickt, wenn wieder die 19-Prozent-Marke gilt, ist der 16-prozentige Mehrwertsteuersatz zum Zeitraum der Leistung Messlatte für die Berechnung. 

Das gilt auch für Teilleistungen:

Sind bei der Badrenovierung beispielsweise der Heizkörperaustausch, das Verfliesen und die Neuinstallation der Badobjekte als Teilleistungen vereinbart, wird der gültige Mehrwertsteuersatz bei Abschluss der jeweiligen Arbeiten berechnet. Entscheidend ist also, wann die Teilleistungen ausgeführt wurden. Etwas anderes gilt, wenn ein Festpreis vereinbart ist: Bei einem Bruttopreis, der ja die Mehrwertsteuer einschließt, bleibt es bei der ursprünglich vereinbarten Summe – unabhängig vom aktuell geltenden Mehrwertsteuersatz. Außerdem: Regelungen zur Mehrwertsteuerberechnung etwa beim Fahrkartenkauf oder bei Zeitungsabonnements sind zurzeit noch in Arbeit. 

Bei Anzahlungen im Plus: 

Wurden beim Kauf von Küche oder Auto vor dem 1. Juli 2020 Anzahlungen geleistet, muss bei der Endrechnung für nach diesem Zeitpunkt gelieferte Ware die Besteuerung zum reduzierten Umsatzsteuersatz von 16 Prozent erfolgen. Die Rechnung ist entsprechend zu korrigieren, weil der Zeitraum der Leistung maßgeblich ist. Was bedeutet, dass der Kunde mit der geleisteten Anzahlung bereits einen höheren Anteil an der Gesamtsumme bezahlt hat. Auch das gilt aber nur dann, wenn kein Festpreis vereinbart, sondern der Nettopreis plus Mehrwertsteuer ausgewiesen ist.

Rechnungen für Strom und Gas

Auch Energieversorger müssen für die Zeit von Juli bis Dezember die Mehrwertsteuersenkung an ihre Kunden weitergeben. Fürs Verfahren hierbei gilt, was die Unternehmen im Kleingedruckten ihrer Strom- oder Gaslieferverträge vereinbart haben. So sehen einige in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen vor, dass Änderungen bei der Umsatzsteuer ohne Ankündigung an die Kunden weitergereicht werden. Andere treffen dazu keine gesonderte Regelung, sondern behandeln die Umsatzsteuer als Preisbestandteil wie etwa die EEG-Umlage. 

Dann muss der Energieanbieter die Mehrwertsteueränderung ankündigen – was bedeutet, dass der Kunde ein Sonderkündigungsrecht hat und zu einem günstigeren Versorger wechseln kann. Den reduzierten Umsatzsteuersatz müssen Strom- und Gasversorger nicht sofort in den monatlichen Abschlagszahlungen des Kunden, wohl aber in dessen Jahresabrechnung berücksichtigen. 

Wie dabei gerechnet wird, entscheidet sich wieder im Kleingedruckten: 

Sieht der Vertrag vor, dass Preisänderungen zeitanteilig berechnet werden, muss der Anbieter den Energieverbrauch in der Schlussrechnung aufteilen und für Juli bis Dezember 2020 anteilig die 16-prozentige, für die übrigen Monate die 19-prozentige Mehrwertsteuer ansetzen. Angelika Weischer, Leiterin der Beratungsstelle in Schwerte rät, den Strom- und Gaszähler zum 30. Juni 2020 abzulesen und zu Beweiszwecken ein Foto vom Zählerstand per E-Mail an den Versorger zu schicken. Denn liegen keine Werte vor, wird der Verbrauch geschätzt.

Erlauben die Geschäftsbedingungen keine zeitanteilige Berechnung, muss der Versorger in Schlussrechnungen, die zwischen Juli und Dezember 2020 gestellt werden, die 16-prozentige Mehrwertsteuer auf den Gesamtnettobetrag berücksichtigen. Unerheblich ist dann, dass in den Bezugszeitraum auch Monate mit einem höheren Umsatzsteuersatz fallen. Weil die Einzelheiten dazu derzeit noch unklar sind, empfiehlt die Verbraucherzentrale NRW auch hier, Strom- und Gaszähler zum 30. Juni 2020 abzulesen und zu Beweiszwecken im Foto festzuhalten.

Versicherungsverträge außen vor:

Bei der Besteuerung von Versicherungen ändert sich mit der Mehrwertsteuersenkung aus dem Konjunkturpaket nichts. Denn Versicherer sind in der Regel von der Mehrwert-/Umsatzsteuer befreit und müssen die Versicherungssteuer bezahlen. Diese ist jedoch keine Steuer, wie sie für allgemeine wirtschaftliche Vorgänge erhoben wird. Die Höhe des Steuersatzes auf die Versicherungsbeiträge bemisst sich nach der Art des Vertrages, der allgemeine Steuersatz der Versicherungssteuer liegt bei 19 Prozent. Lebens- sowie private Kranken- und Sozialversicherungen sind jedoch von der Versicherungssteuer befreit.

PM: Verbraucherzentrale Schwerte

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