Haushaltsrede 2021 der Fraktion Die Grünen

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Foto: © Thomas Schmithausen
1. Zustimmung   +  gesamtwirtschaftliche Lage 

Die grüne Fraktion wird dem diesjährigen Haushaltsentwurf zustimmen  –  allerdings mit schweren  Bedenken wegen der gesamtwirtschaftlichen Lage und der Haushaltslage der Stadt Schwerte im speziellen.
Unsere Zustimmung erfolgt in einigen grundsätzlichen  Belangen allerdings auch   uninformiert, Die parallele Handhabung des Haushaltsentwurfs und des Interaktiven Haushaltes IVKS  erweist sich als kompliziert. Das führt dazu, dass  der Haushaltsentwurf nicht die Klarheit und Aussagekraft bietet, die eine tragfähige Bewertung  ermöglichen. Wir werden dazu nach Abschluss der diesjährigen HH-Beratungen  Anträge  zur Systematik der Berichterstattung und Informationsbereitstellung stellen, die wir  bis zum nächsten HH umgesetzt haben wollen.

Unsere Zustimmung erhält der Haushaltsentwurf deswegen, weil mit ihm wichtige Investitionen in die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt angegangen oder fortgeführt werden, die wir mittragen.  Das trifft allerdings nicht auf alle Investitionsmaßnahmen in gleichem Umfang zu. Das werde ich später noch näher ausführen.

Zu unseren großen Bedenken:  Die Corona-Pandemie und ihre absehbaren Folgen legen einen Brennpunkt auf die Finanzen, auch in Schwerte. Der Vorbericht zum Haushaltsentwurf verwendet für die mittelfristige Prognose die Orientierungsdaten des Landes. Das ist zulässig – was wir jedoch vermissen, ist eine kritische Einordnung der daraus abgeleiteten mittelfristigen Perspektiven. Der Vorbericht stellt die Auswirkungen der Pandemie als einmalige Delle (Mindereinnahmen und Mehrausgaben)  dar – ab 2022 geht es weiter, als wäre nichts gewesen.  
Hinzu kommt: Der einmalige Ausgleich der Corona-Auswirkungen in 2021 durch die Bilanzierungshilfe ist – ohne Kritik an den handelnden Instanzen – eine Schönfärberei sondergleichen, über die sich alle Beteiligten, also auch wir, im Klaren sein sollten.  Die sogenannte Bilanzierungshilfe dient  einzig und allein dem diesjährigen fiktiven Haushaltsausgleichs, sie stellt gleichwohl ein weiteres Riesenloch in unserem Haushalt dar, das getilgt sein will.

Das alles bedeutet:  Der finanzielle Handlungsspielraum der Stadt Schwerte war schon vor Corona mehr als eng – und nun hat sich dieser Spielraum durch die Corona-Langzeitfolgen noch erheblich verringert. Dieser Rahmen zwingt uns zu äußerster Haushaltsdisziplin. 
Was ist in dieser Hinsicht zu tun?  

  1.  Wir müssen noch klarer und mit großen Mehrheiten die Prioritäten für die Entwicklung unserer Stadt benennen.  Es braucht eine noch strengere Prüfung und Begründung dessen, was in dieser Stadt wichtig ist. Dabei gilt als Maxime:  Auf dem Teppich bleiben!
    Jegliche Vorhaben der Art nice-to-have  haben zu unterbleiben
  2.  Bei allen Investitionsvorhaben im Baubereich müssen wir ein strenges Kostencontrolling betreiben, so wie es für das Projekt Schwerer Mitte seit langem als notwendig erachtet wird.
    Der  Prüfbericht der GPA zeigt im interkommunalen Vergleich auf, dass in Schwerte  immer wieder überdurchschnittliche Kostensteigerungen bei Bauvorhaben entstanden sind, und das muss sich in Zukunft ändern. Ein stringentes Kostencontrolling wird auch dazu beitragen, dass  ggf. Mehrkosten für nachhaltiges Bauen möglich werden – unter Beachtung der Gesamtkosten über die gesamte Nutzungsdauer 
  3. Die Personalaufwendungen sind seit dem Haushaltsjahr 2018  erheblich gestiegen!  
    Sicherlich können wir uns alle einige städtische Aufgaben vorstellen, die mit mehr Personal ausgestattet sein sollten.  
    Aber auch hier gilt die Maxime „Auf dem Teppich bleiben!“.    
  4. Das „Gesamtkunstwerk“    ´Bürgerschaft, Rat, BM, Verwaltung´  zur Steuerung der städtischen Belange muss sich um mehr  Klarheit in seinen Entscheidungen kümmern.
    Diesem Aspekt will ich ein eigenes Kapitel widmen:
2. Haushaltsklarheit

Ein eigenständiger Beitrag zur erforderlichen Haushaltsdisziplin muss im laufenden Geschäft  zwischen  Rat und Verwaltung  über eine stärkere Haushaltsklarheit  erzielt werden.
Damit ist gemeint, dass sich Rat und Verwaltung miteinander – aus verschiedenen Rollen und Perspektiven – genau darüber klar sind, auf welcher Informationsgrundlage die haushaltswirksamen Entscheidungen getroffen werden.  Bei Investitionsmaßnahmen darf der Fokus nicht  allein darauf liegen, wie ein städtischer Eigenanteil für ein wichtiges Projekt aufzubringen ist, sondern auch, welche langfristigen Bindungen damit einhergehen:  Welche Finanzierungskosten  incl. Tilgung über welche Laufzeit, welche Abschreibungen fallen an über welche Laufzeit, welche langfristigen Risiken lassen sich beziffern?  Bei der Langfristigkeit unserer Investitionsentscheidungen gehen wir immer und unvermeidbar ein großes Zinsänderungsrisiko ein. 
Sind wir  nicht  an dieser Stelle  bisher ziemlich leichtfertig unterwegs? 

Beispiel 1:  Die Investition in das IVLS  mit 2 Mio. € und einer 70% Förderung. Macht 600.000 € städtischen Eigenanteil – und nach der bisherigen Beschlussvorlage war es das.  Da schauen sowohl Rat als auch Verwaltung gemeinsam darüber hinweg, dass wir mit dem Beschluss über die Einführung auch Folgekosten für die nächsten 20 Jahre –  meine Annahme über die voraussichtliche Nutzungsdauer – festlegen:  
Die jährlichen Abschreibungen, die Tilgung  des Investitionskredites für den Eigenanteil und die Personalkosten für die Betreuung des Verkehrsleit-rechners werden den Haushalt mit ca. 50.000 € belasten,  jedes Jahr, bis 2041.
All dies bei der  wahrscheinlich unrealistischen Annahme, dass keinerlei Kostensteigerungen durch Unterhaltung und Nachträge anfallen, die voll zu Lasten des städtischen Haushaltes gehen würden.

Beispiel 2:  Variantenuntersuchung TFG:  es hilft doch nichts, dass wir uns mit einer unrealistischen Abschreibungsdauer von 80 Jahren für einen Neubau die jährliche Belastung klein, sprich „schön“ rechnen,  die Entscheidung für diese Variante jetzt treffen  – und dann darf 80 Jahre nichts dazwischen kommen.  Z.B. keine um 3 Prozentpunkte höheren Darlehenszinsen  – denn dann  würden  die jährlichen Aufwendungen noch einmal  7-stellig steigen.  Wie sollten zukünftige Haushalte das stemmen können? 
Das ist jetzt keine abschließende Gegenrede bzgl. der beiden Varianten eines Neubaus.  Es heißt aber ganz entschieden:  Diese möglichen Konsequenzen sollten wir kennen – und erst dann bewerten und Entscheidungen treffen. Und schon deshalb begrüßen wir den Antrag von SPD und CDU, den TOP   TFG zu verschieben, um die Wirtschaftlichkeitsrechnung gründlich beraten zu können.

Mit Haushaltsklarheit ist auch gemeint, dass wir als Rat die weniger gut  ausgeleuchteten Bereiche im städtischen Haushalt in den Blick nehmen sollten,  nein:  müssen. Das braucht die  tatkräftige und selbstverständliche  Unterstützung der Verwaltung. Gemeint sind hier  u.a. die Bereiche: Rückstellungen für Instandhaltung,  Rückstellungen im Personalbereich, Erträge aus der Auflösung von Sonderposten aus Zuwendungen. Das sind alles Positionen in einer Größenordnung, die haushaltsrelevant ist.  Erinnert sei an die Auflösung von Rückstellungen, die zu dem  überraschend  positiven Jahresergebnis 2019 geführt hat und dabei den Eindruck vortäuscht, als sei in diesem Jahr 2019 erfolgreich gewirtschaftet worden.  Gleichwohl begrüßen wir die Verwendung, für die sich die Verwaltung in diesem Fall entschieden hat. Wir sehen es allerdings kritisch, dass der Rat als oberste Steuerungsebene hierbei m.W. nicht aktiv eingebunden war.

Haushaltsklarheit noch etwas weiter gefasst:  auch die städtischen Beteiligungen und ihre Finanzlage gehören noch  stärker auf den Radar des Rates. Denken Sie an die Ausleihungen an die Töchter, denken Sie an das Heben stiller Reserven bei der AöR Abwasser zum Zweck der Eigenkapitalstärkung der Stadtwerke.

 Ziel muss es sein, einen langfristigen Blick auf die Entwicklung der Haushalte zu gewinnen – und zu behalten. Erst dann können wir als Rat unseren Auftrag, den Konzern Stadt mit Übersicht zu steuern, umfänglich und sachbezogen erfüllen.

3. Was wirklich wichtig ist:  Prioritätensetzung  auf Augenhöhe  


Eine Prioritätensetzung, die langfristig  anerkannt werden will, braucht mehr als eine vorübergehende politische Mehrheit.  Sie braucht eine inhaltliche Begründung, eine Orientierung an quasi objektiven Maßstäben, die über den Tag hinausweisen.
 „Pflichtaufgaben vor freiwilligen Aufgaben“ ist eine solche Orientierung,  „Grundbedürfnisse wie Wohnen, Gesundheit, gesellschaftlicher Teilhabe vor repräsentativen, nach außen gerichteten Prestigeobjekten“,  „ Zukunftsvorsorge wie Erhalt der städtischen Infrastruktur, Klimawandelanpassung,  intergenerationelle Gerechtigkeit  vor kurzfristigen Konsumwünschen“  könnten ebenfalls als Orientierung bei den vielen Abwägungsprozessen breit akzeptiert werden.  
Genau das ist eine der Kernaufgaben des Rates:  Die vielen Entwicklungswünsche, die  aus einer pluralen Bürgerschaft für unsere Stadt formuliert werden, miteinander und gegeneinander abzuwägen und dann mit Verweis auf die oben angedeuteten Maßstäbe zu entscheiden. 
Wir als Rat haben dabei auch die Aufgabe, das Ganze in den Rahmen eines immer begrenzten Haushaltes zu bringen. Das ist nicht immer angenehm – allerdings ist es unumgänglich und wir als Rat sind die einzige Institution, die dafür legitimiert ist. 

Diese Abwägung gelingt uns nicht immer!
Wir haben umfangreiche Projekte im Bereich der Pflichtaufgaben Schulen, Feuerwehr oder Grundvorsorge im Allgemeinen  mit knappen Mitteln zu kalkulieren – und gehen gleichzeitig andere Projekte deutlich großzügiger an:  Es wird Sie nicht überraschen, dass aus unserer Sicht dazu das IVLS mit seinen Folgekosten  und das Sportzentrum Wandhofen gehören. Bei letzterem genügt   die politische Mehrheit  –  und die nachvollziehbare Begeisterung  der nutznießenden Vereine – eben gerade nicht als Begründung, die über den Tag hinaus Bestand haben kann.  Uns ist unerklärlich, wie unvermittelt diese beiden Projekte in ihrer üppigen Ausstattung neben den bekannten Projekten für Pflichtaufgaben stehen bleiben, die wir nicht annähernd  ähnlich großzügig werden finanzieren können. Noch einmal unser Appell an die Verwaltung – und an die anderen Fraktionen, die den Beschluss für Wandhofen mitgetragen haben:  Setzen Sie das Vorhaben auf ein Maß, das sich im Gesamthaushalt im Vergleich mit den pflichtigen Aufgaben vertreten lässt. Ein Verweis auf den Bundeszuschuss von 2,7 Mio. € und die dadurch gegebene Wirtschaftlichkeit genügt dabei nicht; 
die Wirtschaftlichkeit sollte sich mindestens um einen Betrag von 500.000 € durch Minderleistungen weiter verbessern lassen.

Bei den Abwägungen des Rates spielt  eine große Rolle, dass dieser ähnlich plural zusammengesetzt ist wie die Bürgerschaft.  Deswegen muss er sich nicht als Wünscheerfüller für alle Partikular- interessen verstehen,  er muss aber  plural in seiner Wahrnehmung der unterschiedlichen Interessen in der Stadtgesellschaft sein. 
Unter diesem Aspekt liegt in der Kooperation der beiden „großen Fraktionen“ die Gefahr, dass manche berechtigte Interessen in der Stadtgesellschaft den Wahrnehmungsfilter dieser beiden Fraktionen nicht  durchdringen und dadurch nicht oder nicht angemessen behandelt werden.     
Unabhängig von unserer Position zu den o.g. Vorhaben begrüßen wir, dass die Verwaltung bereit ist, bei Vorhaben wie der Albert-Schweitzer-Schule und der Theodor-Fleitmann-Gesamtschule weitreichende alternative Lösungsmöglichkeiten zu prüfen und dem Rat zur Entscheidung vorzulegen. Des Weiteren begrüßen wir, dass für wichtige vorrangige Projekte der Stadtentwicklung weiterhin nach Fördermöglichkeiten gesucht wird. Damit kann auch für eine Kommune in der Haushaltssicherung Zukunftsvorsorge für die städtische Infrastruktur ermöglicht werden.  
Eine solche  Priorisierung tragen wir mit. Das schließt eine Kritik an konkreten Einzelprojekten nicht aus.

4.  Informationsstand auf Augenhöhe

Rat, Bürgermeister und Verwaltung handeln bei der Steuerung der Stadt in unterschiedlichen Rollen und mit unterschiedlichen politischen Standpunkten.  Sie haben, ob sie wollen oder nicht, allerdings eine große gemeinsame Verantwortung  für das Gelingen dieser Aufgabe.  Dabei  sind die Unterschiede in Rolle und Standpunkt kein Hindernis, sondern unverzichtbare Voraussetzung für das Gelingen.  Eine weitere Voraussetzung ist, dass sie ihre jeweiligen Rollen  „auf Augenhöhe“ übernehmen und ausfüllen. Das braucht auch eine „Information auf Augenhöhe“.

In dieser Hinsicht ist in Schwerte noch reichlich „Luft nach oben“.  
Ich will mit einem positiven Beispiel beginnen:  Sondersitzung des Rates am 12.1.21  zum Erwerb der Hoesch-Flächen. Ein komplexes Thema, erst seit kurzem für die Verwaltung auf der Agenda, keine einfache Lösung in Sicht. Hier war der Vortrag der Verwaltung ausführlich und sachbezogen, die Erörterung umfangreich. Probleme wurden nicht kleingeredet, keine vordergründigen Lösungen in Aussicht gestellt.  Das meine ich mit  „auf Augenhöhe“  in Kenntnis gesetzt zu werden und am weiteren Prozess beteiligt zu sein.

Nicht so gut gelungen:  
1.  Die Auflösung von Rückstellungen für Instandhaltung im Jahr 2019, bereits 
      vorhin erwähnt. Das kam wie „Deus ex machina“  oder  wie „Kai aus der   
      Kiste“. 

2.  Die Informationen in der Presse und auf der städtischen Homepage über 
      die „Auflösung des Sanierungsstaus“ an den Schulen. 
     Anlass in den letzten Sommerferien waren die Baufortschritte 
     bei den OGS-Maßnahmen an Heideschule und Lenningskampschule. 
     Der Beschluss über diese Maßnahmen wurden 2017 gefasst, in den 
     Haushalt 2018/19 eingestellt    –  und unser BM stellt sich 
     publikumswirksam als der eigentliche Verursacher ins Bild. 
     Es fehlt auch ein erkennbarer Verweis auf die öffentlichen Fördermittel, 
    durch die die beiden Projekte erst möglich wurden.

3.  Die mehrfach praktizierte Vorlage von Informationen unmittelbar vor 
     wichtigen Entscheidungen;
     die Behandlung von wichtigen Projekten (Neubau Feuerwache, 
     Sportzentrum Wandhofen …) im nichtöffentlichen Bereich;

4.  die Mitteilung über die Bundeszuschüsse in Höhe von 2,7 Mio. € für das 
      Sportzentrum Wandhofen.
     Die beiden Fußballvereine werden persönlich informiert, man feiert sich 
     gegenseitig, und der Rat …,  ja, der liest es anderntags in der Zeitung. 

     Das ist, diplomatisch formuliert, nichts Anderes als eine  Geringschätzung 
     des Rates!

Und dies wünschen wir uns zukünftig:  eine zeitnahe Information aller Fraktionen im Rat, und dies nicht erst in den Ausschüssen oder Ratssitzungen, sondern so früh wie möglich  und immer auf Augenhöhe,  und nicht nur in einer Bevorzugung der kooperierenden  Fraktionen.
 

Bruno Heinz-Fischer
Fraktionssprecher Die Grünen 

Quelle: Fraktion Die Grünen im Rat der Stadt Schwerte


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